Moderne Sucht nach dem Smartphone
Wir alle sind Smartphonesüchtig. Die gute Nachricht ist: Schuld sind wie immer die anderen. In diesem Fall die Biologie: Jedes Mal wenn das Handy piept, vibriert oder blinkt, schüttet unser Gehirn das Glückshormon Dopamin aus.Das sorgt für eine kurzfristige Vorfreude auf die Smartphonenutzung, weil wir ständig auf der Suche nach Überraschungen sind. Unser Gehirn belohnt uns also sozusagen dafür, dass wir auf´s Smartphone schauen. Der gleiche Effekt ist beim Drogenkonsum zu beobachten. Da wir 60 bis 130 Mal am Tag mit unserem Smartphone interagieren, entsteht eine Abhängigkeit. Und die sorgt dafür, dass wir pro Tag im Schnitt drei Stunden mit unserem Smartphone beschäftigt sind, also mehr als ein Drittel der frei zur Verfügung stehenden Zeit.
Ich würde von mir selbst ebenfalls sagen, dass ich ohne mein Smartphone nicht mehr auskomme. Es bietet aber auch einfach viel zu viele nützliche Funktionen und hat sich zu dem Kommunikationsmittel schlechthin entwickelt. Außerdem ist es ja noch Kamera, Musik-Player, Boardkarte, GPS Trainingspartner, Datingplattform, Taschenlampe, Rechner und und und.
Alles schön und gut, aber warum klagen dann immer mehr Menschen darüber, dass sie ihr Smartphone zu viel nutzen? Warum sprechen so viele von einer "digitalen Diät", die sie vorhaben, dann aber weder angehen noch schaffen?
Ich sag´s euch: Weil diese kleinen und unverzichtbaren Dinger FOMO verursachen. FO-was? FOMO! Das bedeutet "Fear Of Missing Out", also die Angst etwas zu verpassen. Kein Wunder, wir checken ja auch ständig die sozialen Medien, News, Emails, WhatsApp, Tinder. Als ob uns etwas entgehen würde, entwickeln wir diese extreme FOMO, die statistisch etwa alle sieben Minuten befriedigt werden will. Das ist insbesondere bei den sozialen Medien der Fall, denkt man nur an Facebook, Instagram oder Twitter, deren Feed gefühlt alle 20 Sekunden anwächst. Perfektioniert hat FOMO übrigens die App Snapchat. Hier sind die Inhalte nur 24 Stunden sichtbar, was einen dazu verleitet, ständig nachzuschauen, damit man bloß nichts verpasst. SPIEGEL Online kann man auch übermorgen noch lesen.
Mal ehrlich: Wie lange haltet ihr es ohne Handy aus? Was macht ihr, wenn ihr auf dem Weg zur Arbeit merkt, dass ihr das Handy zu Hause vergessen habt? Dreht ihr um, oder ist es euch egal?
Was mich immer mehr beunruhigt sind Personen, die nicht nur in der Bahn ständig auf ihr Smartphone starren, sondern auch schon auf dem Weg dorthin. Am besten noch auf dem Fahrrad! Es scheint, als ob wir es keine fünf Minuten mehr "nur" mit uns selbst aushalten. Kaum wartet man auf die Bahn, den Kaffee, den Aufzug, den Arzt, erfolgt der Griff in die Hosentasche. "Mal eben schauen, wie das Wetter morgen wird. Was gibt es eigentlich neues von meinen Freunden auf Facebook? Oh eine WhatsApp Nachricht, …“.
Richtig genervt bin ich im Büro: Wenn das kleine Ding omnipräsent auf dem eigenen Schreibtisch, oder noch schlimmer, auf dem Meetingtisch, platziert wird. Ich frage mich wirklich, welchen Grund es hat, in einem Meeting auf sein Smartphone zu schauen (okay, Tinder-Matches lasse ich gelten). Ich finde das sowas von respektlos gegenüber den anderen Anwesenden. Es gibt dafür sogar einen Fachbegriff: Phubbing, ein Kunstwort aus den Worten „phone“ und „stubbing“ (vor den Kopf stoßen).
Aber auch wenn wir nicht in Meetings sind: Wenn das Handy unsere Aufmerksamkeit fordert, und wir sie ihm schenken, brauchen wir 15 Minuten, um wieder dort einzusteigen, wo wir gedanklich unsere Arbeit unterbrochen haben. Wenn man also etwa alle zehn Minuten auf sein Handy schaut (was wir statistisch gesehen tun), ist effektives arbeiten fast nicht mehr möglich.
Forscher haben herausgefunden, dass Smartphones und Tablets sogar zu Schlafstörungen führen können (sog. Semisomni). Unser Gehirn entspannt sich nämlich nicht, während wir abends vor dem Schlafengehen die neusten Updates lesen. Die Informationsflut wirkt eher anregend, als einschläfernd. Außerdem wird durch das Licht des Displays die Ausschüttung des Botenstoffs Melatonin verhindert. Dieser Stoff steuert unseren Tag-Nacht-Rhythmus; Licht hemmt die Produktion, Dunkelheit regt sie an. Nachts ist der Melatonin-Spiegel am höchsten.
Hinzukommen können körperliche Beschwerden, wie der sogenannte „Smartphone-Nacken“. Dieser entsteht durch die ständig leicht über das Smartphone gebeugte Haltung. Resultat sind oftmals nicht einfach nur Nackenschmerzen, sondern auch Kopfschmerzen, Verdauungs- oder Atemprobleme, weil die Muskeln, Nerven, Luft- und Speiseröhre dort nur sehr wenig Platz haben. Weiterhin beobachtet wird auch der „Handydaumen“. Durch die Dauerbelastung des Daumens kann es zu Sehnenscheidenentzündungen oder anderen Beschwerden kommen.
Ich habe daher ein paar Gewohnheiten entwickelt, die ich euch nicht vorenthalten möchte:
Tipp 1: Einfach das Smartphone ab 22 Uhr in den Flugmodus schalten. Damit kann man es als Wecker nutzen (ja das geht, für alle die das nicht wussten), aber man wird morgens nicht mit zig Benachrichtungen begrüßt. Meist lasse ich es sogar im Flugmodus, bis ich im Büro ankomme. Was soll denn bitte auch in dieser Zeit passiert sein? Ein Bekannter, der in einer Bank arbeitet, meinte mal zu mir, das erste was er morgens nach dem Aufstehen macht, ist Mails zu checken. Im zweiten Satz gab er aber auch direkt zu, wie schwachsinnig das sei, denn niemand aus der Bank schreibt in dieser Zeit geschäftliche Emails.
Tipp 2: Alle Benachrichtungen ausschalten, sobald man das Büro betritt. Ich habe mir dazu meinen "Nicht Stören Modus" so konfiguriert, dass ich zwischen 8 bis 18 Uhr keine Benachrichtungen erhalte. Das heißt nicht, dass ich nicht auch während des Arbeitstages auf mein Handy schaue. Aber ich arbeite meist nach der Pomodoro-Technik und schaue einfach in meinen kleinen Pausen dazwischen auf mein Handy. Auf jeden Fall tue ich das sehr bewusst.
Tipp 3: Das Smartphone mal in der Tasche lassen, wenn man es eigentlich rausholen will. Das kann z.B. auf dem Weg zur Arbeit, in der Bahn oder in der Schlange beim Bäcker sein. Ich finde es mittlerweile viel spannender, einfach mal die anderen Leute zu beobachten oder ein gutes Buch zu lesen.
Tipp 4: Telefonieren statt schreiben. Hört sich blöd an, aber wir nutzen das Smartphone immer weniger zum Telefonieren. Dabei ist es gleich auf zweierlei Art positiv: Es entlastet den Daumen vom Schreiben und ist viel persönlicher. Für wen das zu oldschool ist, der kann auch bei WhatsApp Sprachnachrichten verschicken :)
Hast du auch Tipps zum Umgang mit dem Smartphone? Dann freue ich mich über Kommentare.